Samstag, 31. Dezember 2016

Atlantik-Überquerung

Am 06. Dezember um 12.00 Uhr machten wir die Leinen los in San Sebastian und sind zunächst noch an die Tankstelle gefahren um Diesel aufzutanken. Danach gings durch den markierten Kanal zusammen mit der Alamea aufs offene Meer. Wir haben das Gross und die Solent gesetzt und haben Kurs Richtung Süden genommen. Leider war der Wind nicht auf unserer Seite und wir mussten unseren Kurs auf West ändern. Um 18.00 Uhr ging schon die Sonne unter. Wir hatten vereinbart, Wachablösung im 3 Stunden Takt durchzuführen. Über Funk hatten wir der Alamea Crew einen schönen Abend gewünscht. Die Nacht verlief im einem ständigen Kurswechsel, da das Grossegel angefangen hat zu schlagen und wir mit wenig Wind das Grossegel nicht so ausfieren konnten wie wir wollten. In der ersten Nacht war die Alamea noch in Sichtweite, doch schon am nächsten Tag verloren wir aufgrund unterschiedlicher Kurse den Sichtkontakt. Wir fuhren anfänglich mit Motorunterstützung, da der Wind einfach zu schwach war. Aber nach etwa 24 Stunden hatten wir so starke Vibrationen im Antriebsstrand, dass es uns ratsam erschien, diesen Antrieb nicht weiter zu benutzen. Mehrere Wechsel vom Vorwärts- in den Rückwärtsgang verbesserten die Situation nicht. Zudem hatten wir von der Zoe-Crew wenig Gutes über Barbados gehört. 
Unter diesen Umständen entschieden wir uns schlussendlich, Barbados auszulassen und Le Marin auf Martinique anzulaufen. Die Hoffnung war gross, dort unseren blockierten Kiel und das Antriebsproblem fachgerecht gelöst zu bekommen.
Die nächsten zwei Tage brachten immer noch keine stabilen Windverhältnisse. Aber die von allen Seiten ankommenden Wellen liessen die Harmonie so schaukeln, das wir regelrecht im Boot herumgeschleudert wurden. Kochen in regelmässigen Wellen waren wir gewohnt. Aber so wurde das hier zu einer echten Tortur. Ueli hat sich beim Kochen resp. bei der Zubereitung von Gemüse mit dem Messer eine tiefe Fleischwunde bis auf den Knochen zugezogen. Selbst die Wundversorgung war eine grosse Herausforderung mit diesem Wellengang. Zahlreiche blauen Flecken „zieren“ jetzt unsere Körper.
Unsere italienischen Freunde von der Zoe, welche früher losgesegelt waren, haben uns über Email mitgeteilt, dass sie einige kleine Doraden unterwegs gefangen haben. Also versuchte Ueli es auch einmal mit fischen.
Wir hatten ein einziges Mal einen Fisch dran. Wie gross er war, hatten wir nicht gesehen. Aber er hat uns den Köder inklusive Stahlvorfach abgerissen. Und das war für Fische bis 50kg ausgelegt gewesen.
Dafür konnten wir täglich duzende fliegende Fische vom Deck einsammeln. Es haben sicher über 200 Fische wegen uns ihr Leben verloren.
Am 11. Dezember ist dann der Wind eingetroffen, den wir eigentlich erwartet hatten. Auf einmal ging es zügig los. Doch der stetige und stabile Passatwind war es auch nicht. Unser Kurs pendelte von Süd auf West und wieder auf Süd. 
Auf dem 19. Breitengrad wurden wir von einem 4-5 Meter langen Wal begleitet. Er zeigte uns immer wieder seinen weissen Bauch und wir waren nicht ganz sicher, ob er allenfalls unsere Harmonie für ein Weibchen gehalten hat. Er verfolgte uns bis in die Nacht hinein. Und auch beim Kurswechsel auf West blieb er an unser Seite. Da wir den ganzen Tag über keine Sonne gesehen hatten und wir auch nicht schnell genug unterwegs gewesen waren, startete ich um 22.00 Uhr den Motor um die Batterien wieder zu füllen. Nach einer Motorenstunde war der Wal weg. Das Brummen hat ihn offensichtlich irritiert…
Am 13. Dezember hatte ich meinen Geburtstag und Ueli hat für mich etwas Feines gekocht. Ich wollte noch Brownies für den Abend backen und habe voller Elan den Teig zubereitet. Es war eine Fertigmischung, die nur noch die Zugabe von Eiern und Wasser benötigte. Die Backform aus Karton war auch schon mit enthalten. Breitbeinig stand ich in der Küche um nicht herumgeschleudert zu werden wegen dem Wellengang, und habe die gerührte Masse in die Backform gegeben. Alles schien perfekt zu sein. Ich öffnete die Tür des Backofens um die Backform einzuschieben, was auch geklappt hatte. Doch beim schliessen der Tür blockierte ich kurz den Herd und konnte nur noch mitansehen, wie die ganze Schoggimasse sich im Backofen verteilte. Alles lief runter über den Brenner, ich konnte nur noch das Gas abstellen. Mir war zum heulen. Was für eine Sauerei, diese stickige Masse vom Brenner zu kratzen und den Herd zu reinigen! Eine ganze Stunde musste ich mich mit putzen, festhalten usw. herumschlagen. Ich war geschafft.

Der 1’000 Meilen Eintrag ins Logbuch am 13. Dezember versprach, dass wir jetzt immerhin einen Drittel der Strecke bereits hinter uns hatten.
Ab 14. Dezember kam es noch schlimmer, wir wurden von starken Böen und Squalls eingeholt.
Ganze 5 Squalls von 01.30-09.50 Uhr. Schlimmer noch 7-8 Meter hohe Wellen, Hexenkessel pur. Wir konnten keinen geeigneten Kurs finden. Die Wellen kamen aus allen Richtungen. Die eine Welle hatte unser an der Reling befestigtes Rettungsgerät weggerissen und den Aussenborder von der Halterung weggedrückt. Eine Welle stieg seitwärts ins Cockpit ein und spülte alles durch. Durch die Lüftungsöffnung der Backbordkabine ist Wasser eingedrungen und hat eine Matratze vollständig genässt. Was für eine Sauerei. Die schlimmste Nacht, ein Squall löste den anderen ab.
Dieses Wetter hielt an und kostete uns viel Energie. Wir hatten unsere Nachtwache auf 2 Stunden Intervalle verkürzt. Langsam fragte ich mich, wo ist da der stabile Passatwind, von dem mir Ueli immer erzählt hatte. Das konnte doch so nicht mehr weitergehen. Irgendwann sollte dieser Spuk doch vorbei sein. Täglich sind wir in unserem Ölzeug nass geworden. Nichts trocknete nach, auch im Salon innen war alles feucht und nass.
Wir versuchten es, mit neuen Strategien die Squalls zu umgehen. Zum einen reduzierten wir die Segel noch etwas mehr und zum anderen stiegen wir weiter ab Richtung 13. Breitengrad. Die Situation verbesserte sich dadurch etwas. Wir hatten wieder einmal einen Tag mit Sonnenschein. Den haben wir genutzt, um nach Tagen wieder einmal eine Dusche an Deck zu nehmen. Das tat gut und gab uns neue Kraft und Mut, um weiter durchzuhalten.
Weihnachten rückte näher. Am 24. Dezember um 12.00 Uhr Ortszeit konnte ich im Logbuch 2’847 Meilen eintragen. Zum Ziel sind es jetzt nur noch 119 sm. Am gleichen Abend konnte man schon von weitem die Helligkeit der Insel Martinique erkennen. Eigentlich wäre dies ja ein Grund zum Jubeln gewesen, aber uns war es nicht drum. Wir kämpften ja immer noch mit ständigen Squalls und Wellen. Der Wind hatte ein bisschen nachgelassen und Ueli hatte ausgerechnet, dass wir bei Tagesanbruch in den Kanal zwischen Martinique und St. Lucia einfahren werden. Wir segelten Richtung Leuchtturm an der Südspitze von Martinique, den wir bereits sehen konnten. Doch der Wind meinte es zu gut mit uns und legte noch mehr Tempo auf.  Bei Tagesanbruch waren wir bereits um die Südspitze von Martinique gesegelt.
Wir waren viel zu früh eingetroffen und mussten zwei Stunden warten, bis die Marina auf unseren Aufruf reagierte. Wir verbrachten die Zeit mit Segelübungen. Wir kreuzten in der Bucht vor Le Marin auf. Nach 19 Tagen achterlichen Winden hat man doch wieder einmal Lust auf einen hart am Wind Kurs und eine Wende… Und es wäre ja auch noch ok gewesen, wenn da nicht immer diese Squalls mit Massivregen und 35Knoten Wind gewesen wären. Um 08.00 Uhr am Weihnachtstag bekamen wir endlich Antwort von der Capitanerie. Trotz bestätigter Reservation vertrösteten sie uns stundenlang. Erst um 10.00 Uhr wurden wir per Funk aufgefordert, in die Marina einzufahren. Kurz vor dem Anlegesteg - wen wunderts - überrannte uns noch ein letzter Squall!  Punkt 11.00 Uhr waren wir am Steg fest. Ueli und ich umarmten uns, wir hatten es geschafft nach 19 Tagen auf hoher See, 2’954 Seemeilen hinter uns. Glücklich und müde habe ich gleich angefangen, die Harmonie vom Salz zu befreien. 

Die Harmonie ist wirklich ein robustes Schiff. Wir hatten bei der Überfahrt keinen einzigen Schaden im Bereich der Primärsysteme zu verzeichnen. Nur der Kühlschrank hat die 4 letzten Tage nicht überlebt. Die Pumpe der Kompressorkühlung ist wahrscheinlich aufgrund starker Krängung trocken gelaufen und ausgestiegen.

Hier vielleicht noch ein paar Zahlen: Wir machten Tagesstrecken (Etmale) von minimal 113 sm bis zu über 180sm. Obwohl wir eigentlich nie richtige durch stabile Passatwind regelmässig geformte Wellen ausreiten konnten, haben wir trotzdem Spitzengeschwindigkeiten von mehrmals über 17 Knoten aufgezeichnet. Während über 2/3 der Zeit hatten wir Wind über 25 oft bis zu 35 Knoten. Wir hatten bis zu 18 Squalls am Tag. 
Viele davon brachten eine Windrichtungsänderung von bis zu 30 Grad. Für die Überquerung haben wir keine 70 Liter Diesel verbraucht. Und diese vor allem in den ersten 3 Tagen. Der Hydrogenerator hat uns mit ganz wenigen Ausnahmen rund um die Uhr mit genügend Strom versorgt. Der Autopilot hat vielleicht 10 Mal Hilfe gebraucht. Ansonsten hat er uns als 3. Crewmitglied nie im Stich gelassen.

Am Weihnachtsabend hatte ich unser mitgebrachtes Bäumchen geschmückt. Und dann haben wir uns mit einem Partyfilet und einer Flasche Wein verwöhnt.
Es war schön, wieder in unserem Schlafzimmer schlafen zu können. Alles so ohne akrobatische Übungen. 
Das Gehen auf festem Boden war sehr ungewohnt. Anfänglich hatten wir so unsere Mühe, den Gang zu finden. 
Inzwischen ist auch die Alamea-Crew nach einem Kurzaufenthalt in Barbados hier eingetroffen.
Heute am 31. Dezember sind wir also wieder alle vereint und feiern zusammen mit unseren neuen französischen Freunden von der Legende de Val den Silvester auf unserem Steg.

Ab morgen haben wir für 4 Tage ein Auto gemietet und werden Martinique auf dem Landweg erkunden.